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Seminare, mit denen Firmenmitarbeiter motiviert und teamfähig gemacht werden sollen, gibt es wie Sand am Meer, und ihre Methoden folgen zumeist kurzlebigen Trends. Gegen ­solche Modeströmungen setzen mehr und mehr Unternehmen in Deutschland auf art-approach – ein Ansatz, der von Künstlern entwickelt wurde und nachhaltige Wirkung verspricht.

Ein schöner Raum, zwei Stunden Ruhe, ­kompetente Anleitung – Zeit und Muße, um ganz konzentriert eine Sommerlandschaft zu malen. Mit Pastellkreiden vervollständigen die Teilnehmer des art-approach Seminars ein gemeinsam ausgewähltes Aquarellmotiv. Doch kaum ist das Idyll vollendet, kommt der Schock. Die Künstlerin Daniela Kruse, die ­solche Kurse regelmäßig veranstaltet, fordert die Seminaristen auf, ihr mit viel Liebe zum Detail gemaltes Werk für ein Gemeinschaftsobjekt herauszugeben: Die Einzelbilder sollen zerschnitten, überklebt, zusammengefügt und neu kombiniert werden, bis ein neues Gesamtwerk entstanden ist.

Die Teilnehmer – in der Regel Teams und ­Abteilungen aus großen und mittleren Unternehmen – sind über das brutale Ansinnen ­zunächst meist empört und manchmal regelrecht beleidigt, sagt Daniela Kruse.

Doch dann folgen schnell die Aha-Erlebnisse. Die Fassungslosigkeit wird abgelöst durch ­Ratlosigkeit: Was soll entstehen? Welche Kriterien wollen wir festlegen? Wie gehen wir vor? „Da entsteht ein sozialer Prozess,“ sagt Kruse, „bei dem Geduld und Selbstbeherrschung auf eine harte Probe gestellt werden. Jeder muß sich ­fragen, was er opfern kann, muß seine Sichtweise verändern, zuhören, lernfähig sein, andere Meinungen gelten lassen. Die üblichen Hierarchien aus dem Unternehmen gelten dabei nicht mehr.“

Schon bald entwickelt sich dann in den ­Gruppen ein ganz neuer Elan – und eher als vermutet ist aus den vielen Einzelstücken ein Gesamtbild entstanden, das die Teams dann stolz präsentieren. „Hätte ich nicht für möglich gehalten,“ oder „wenn wir das zustande gebracht haben, schaffen wir das auch in unserer Abteilung“, lauten anschließend die typischen Kommentare. Erfahren wird dabei vor allem, so Kruse, daß man bei Teamarbeit das gemeinsame Ziel ins Auge fassen und auf dem Weg dahin die Intentionen von anderen nicht zerschlagen, sondern einbinden kann und soll. Eine andere Übung platziert die Teilnehmer rund um einen Tisch, in dessen Mitte ein Stillleben angeordnet ist. Jeder muß dieses dann aus der Perspektive seines Gegenübers zeichnen. Dabei muß man sich zwangsläufig in einen anderen hineinversetzen. „Jeder Teilnehmer erfährt dabei unmittelbar, daß andere die Dinge anders sehen, weil sie einen anderen Standpunkt haben,“ sagt Kruse. „Das ist keineswegs trivial, sondern ermutigt viele dazu, in zukünftigen Gesprächen, Konferenzen usw. ­interessiertere Fragen zu stellen und Begriffe und Standpunkte, die andere in die Debatte einbringen, aufzugreifen und widerzuspiegeln.“ art-approach Seminare wie dieses sind in Deutschland noch relativ selten. 1995 wurden sie von der Künstlerin und Kulturpädagogin Anne Rosch entwickelt. Mittlerweile haben aber schon zahlreiche Firmen – vom Handwerksbetrieb über Dienstleister bis hin zu Großunternehmen wie Henkel, Ford und Bayer – zahlreiche Mitarbeiter in solche Kurse geschickt.

„In den Unternehmen ist die Reaktion zunächst immer die gleiche,“ sagt Daniela Kruse, die viele Jahre mit Anne Rosch zusammenarbeitete. „Mildes Lächeln und die Frage: Wir haben schon so viele Seminare gebucht, was wollen Sie uns denn noch Neues beibringen?“

Doch dann ist die Begeisterung zumeist riesig. Bayer beispielsweise schickte erst seine Manager zum art-approach Seminar, dann folgten Abteilungsleiter, Meister und schließlich auch Teams aus Werkstätten und Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.

Die Kurse dauern in der Regel bis zu drei Tagen, es gibt aber auch Workshops, die nur einen halben Tag in Anspruch nehmen. Im Unterschied zu dem aus den USA stammenden Motivationstraining, das über Körperübungen, Gruppenerfahrung und Suggestion wirkt und oft schon nach kurzer Zeit wiederholt werden muß, geht es beim art-approach Ansatz um „Bewußtseinsbildung mit Langzeitwirkung,“ sagt Daniela Kruse. „Künstlerisch zu ­arbeiten, bedeutet zunächst einmal, die Wahrnehmung zu schärfen, also genau zu beobachten, zu erleben, und zwar mit allen Sinnen, und dann daraus Folgerungen zu ziehen.

Künstlerische Tätigkeit hilft dabei, rein ra­tionales, vernunftbetontes Denken zu überwinden und spielerische, gestalterische Elemente zu integrieren und damit Kreativität freizusetzen.“

Den Kursteilnehmern erschließt die Beschäftigung mit Kunst neue Horizonte. „Für mich war es anfangs undenkbar, daß man über Kunst Zusammenhänge im Berufsleben erfahren und bewußtmachen kann“, schreibt ein Angestellter der Bayer AG in seinem Fazit. „Aber es ist so – faszinierend.“ Und ein anderer: „Mir ist klargeworden, welche entscheidende Rolle die genaue Wahrnehmung bei der Suche nach realitätsbezogenen Lösungen spielt.“ Diese meisten sind zudem überzeugt, daß die neuen Einsichten auch ihr Privatleben bereichern werden.

 

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